Hafermilch: Der cremige Newcomer aus Schweden
Hafermilch hat in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufstieg erlebt. Von der schwedischen Erfindung in den 1990er Jahren zur beliebtesten Pflanzenmilch in vielen Cafés weltweit - die Geschichte der Hafermilch ist kurz, aber beeindruckend. In diesem umfassenden Guide erfährst du alles über Herkunft, Nährwerte, gesundheitliche Vorteile und die herausragende Umweltbilanz von Hafermilch.
Hinweis zur Bezeichnung: Wir verwenden den Begriff "Hafermilch" umgangssprachlich. In der EU dürfen pflanzliche Alternativen offiziell nicht als "Milch" verkauft werden (EuGH-Urteil C-422/16). Im Handel findest du daher Bezeichnungen wie "Haferdrink" oder "Hafer-Getränk".
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Eine schwedische Erfindung aus den 1990er Jahren
Anders als Sojamilch, die auf eine fast 2000-jährige Geschichte zurückblicken kann, ist Hafermilch eine moderne Erfindung.
Der Erfinder: Rickard Öste
Rickard Öste (geboren 1948) ist ein schwedischer Lebensmittelwissenschaftler und Professor emeritus an der Universität Lund. In den späten 1980er Jahren forschte er im Bereich Laktoseintoleranz und nachhaltige Lebensmittelsysteme.
Die Herausforderung bei Hafer war der hohe Stärkegehalt (50-60%), der beim Erhitzen zu einer unappetitlichen Konsistenz führte. Östes Durchbruch war die Entwicklung eines patentierten enzymatischen Verfahrens: Durch Alpha- und Beta-Amylase wird die Stärke in kleinere Polysaccharide und Zucker wie Maltose abgebaut - das Ergebnis ist eine cremige, trinkbare Flüssigkeit.
Die Gründung von Oatly
1994 gründeten Rickard Öste und sein Bruder Björn Öste das Unternehmen Oatly in Malmö, Schweden. Die Marke wurde 2001 offiziell eingeführt, aber der internationale Durchbruch kam erst nach einem Rebranding unter CEO Toni Petersson ab 2012.
2013 expandierte Oatly nach Großbritannien und Deutschland, 2016 in die USA. Der Rest ist Geschichte: Hafermilch wurde zum Liebling der Barista-Szene und findet sich heute in Supermärkten weltweit.
2021 erhielten Rickard Öste und seine Kollegin Angeliki Triantafyllou den renommierten Polhem-Preis für ihre Arbeit an haferbasierenden Lebensmitteln.
Nährwerte: Das Besondere an Hafermilch
Hafermilch unterscheidet sich in ihrem Nährstoffprofil deutlich von anderen Pflanzenmilch-Alternativen.
Nährwerte pro 100 ml (ungesüßt, z.B. Oatly Barista)
- Kalorien: ca. 45-60 kcal
- Protein: ca. 1,0-1,5 g (weniger als Sojamilch)
- Fett: ca. 2,5-3 g (oft mit zugesetztem Rapsöl)
- Kohlenhydrate: ca. 6-8 g (mehr als andere Pflanzenmilch-Sorten)
- Ballaststoffe: ca. 0,8 g (davon Beta-Glucan)
Beta-Glucan: Das Herzstück des Hafers
Was Hafermilch besonders macht, ist ihr Gehalt an Beta-Glucan - einem löslichen Ballaststoff, der nur in Hafer und Gerste in nennenswerten Mengen vorkommt.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat bestätigt, dass Beta-Glucan bei einer täglichen Aufnahme von mindestens 3 g zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels beiträgt.
Eine Meta-Analyse von 58 Studien zeigte, dass durchschnittlich 3,5 g Beta-Glucan täglich über 5-6 Wochen das LDL-Cholesterin um 4% und Apolipoprotein B um 2% senken können.
Wichtiger Hinweis: Der Beta-Glucan-Gehalt in Hafermilch variiert je nach Marke und Herstellungsverfahren. Nicht alle Hafermilch-Produkte enthalten genug Beta-Glucan für diese gesundheitlichen Effekte.
Anreicherung
Die meisten kommerziellen Hafermilch-Produkte werden angereichert mit:
- Calcium (oft als Calciumcarbonat)
- Vitamin D
- Vitamin B12 und B2 (Riboflavin)
Gesundheitliche Aspekte
Herzgesundheit durch Beta-Glucan
Der regelmäßige Konsum von Hafer-Produkten kann zur Senkung des LDL-Cholesterins beitragen. Beta-Glucan bindet Gallensäuren im Darm und fördert deren Ausscheidung, was die Leber dazu anregt, mehr Cholesterin zur Gallensäureproduktion zu verwenden.
Blutzucker
Beta-Glucan kann auch dazu beitragen, den Blutzuckeranstieg nach Mahlzeiten zu verlangsamen. Dies ist besonders relevant für Menschen mit Typ-2-Diabetes oder Prädiabetes.
Darmgesundheit
Die löslichen Ballaststoffe in Hafermilch dienen als Präbiotika und fördern das Wachstum nützlicher Darmbakterien.
Hinweis: Gluten und Zöliakie
Hafer ist von Natur aus glutenfrei, enthält jedoch Avenin, ein Protein, das bei manchen Menschen mit Zöliakie Reaktionen auslösen kann.
Zusätzlich werden die meisten Haferprodukte in Fabriken verarbeitet, die auch Weizen, Gerste oder Roggen handhaben - Kreuzkontamination ist daher häufig.
Für Menschen mit Zöliakie ist es wichtig, zertifiziert glutenfreie Hafermilch zu wählen, die aus speziell angebautem und verarbeitetem Hafer hergestellt wird.
Geschmack und Verwendung
Hafermilch ist bekannt für ihren natürlich süßlichen Geschmack und ihre cremige Konsistenz - Eigenschaften, die sie im Enzymverfahren erhält, bei dem Stärke in Zucker umgewandelt wird.
Besonders gut geeignet für:
- Kaffee: Hafermilch (besonders Barista-Versionen) schäumt hervorragend und flockt nicht
- Müsli und Porridge: Der Hafergeschmack harmoniert perfekt
- Backen: Ersetzt Kuhmilch 1:1 in den meisten Rezepten
- Smoothies: Die cremige Konsistenz macht Smoothies besonders samtig
Weniger geeignet für:
- Wer weniger Kohlenhydrate möchte (Hafermilch enthält mehr als Mandel- oder Sojamilch)
- Menschen mit Zöliakie, die keine glutenfreie Variante finden
Hafermilch selbst herstellen
Die Herstellung zu Hause ist einfacher als bei Sojamilch, da kein Kochen erforderlich ist.
Grundrezept für etwa 1 Liter Hafermilch
Zutaten:
- 100 g Haferflocken (am besten Bio, bei Zöliakie: zertifiziert glutenfrei)
- 1 Liter kaltes Wasser
- Optional: Eine Prise Salz, 1 EL Ahornsirup, 1 TL Vanilleextrakt
Zubereitung:
Mixen: Haferflocken mit kaltem Wasser 30-60 Sekunden mixen - nicht zu lange, sonst wird die Milch schleimig.
Abseihen: Durch ein feines Sieb oder Nussmilchbeutel abseihen. Nicht auspressen, nur abtropfen lassen (Auspressen führt zu schleimiger Konsistenz).
Abschmecken: Nach Belieben mit Salz, Süßungsmittel und Vanille verfeinern.
Haltbarkeit: Im Kühlschrank 3-4 Tage. Vor Gebrauch schütteln.
Tipps:
- Verwende immer kaltes Wasser - warmes Wasser macht die Milch schleimig
- Mixe nicht länger als 60 Sekunden
- Der Trester kann für Haferkekse oder Müsliriegel verwendet werden
Hafermilch-Marken in Deutschland und Österreich
- Oatly (der Marktführer aus Schweden)
- Alpro (gehört zu Danone)
- Joya (österreichisch)
- Alnatura (Bio-Qualität)
- dm Bio und andere Eigenmarken
Tipp: "Barista"-Versionen enthalten meist mehr Fett und schäumen besser für Kaffee.
Umweltaspekte: Die beste Bilanz unter den Pflanzenmilch-Alternativen
Die Zahlen aus der Wissenschaft
Laut der umfassenden Poore & Nemecek Studie (2018, veröffentlicht in Science, Analyse von 38.000 Betrieben in 119 Ländern):
| Umweltfaktor | Hafermilch | Kuhmilch (global) |
|---|---|---|
| CO2-Emissionen | ca. 0,9 kg CO2e/L | ca. 3,2 kg CO2e/L |
| Landnutzung | ca. 0,8 m²/L | ca. 9 m²/L |
| Wasserverbrauch | ca. 48 L/L | ca. 628 L/L |
Laut Our World in Data verursacht Kuhmilch etwa dreimal so viele Treibhausgasemissionen, benötigt etwa zehnmal so viel Land und zwei- bis zwanzigmal so viel Wasser wie pflanzliche Alternativen.
Warum Hafermilch besonders gut abschneidet
- Hafer wächst in gemäßigtem Klima: Kein Transport aus fernen Ländern, kein Zusammenhang mit Regenwaldzerstörung
- Geringer Wasserbedarf: Hafer braucht deutlich weniger Wasser als Mandeln oder Reis
- Regionale Produktion möglich: Hafer wird in Deutschland, Schweden, Finnland und anderen europäischen Ländern angebaut
Oatly berichtet in seinem Nachhaltigkeitsbericht 2018, dass ein Liter ihrer Hafermilch nur 0,398 kg CO2-Äquivalente verursacht - weniger als die Hälfte des globalen Durchschnitts für Hafermilch.
Fazit: Für wen ist Hafermilch geeignet?
Hafermilch ist eine hervorragende Wahl für:
- Kaffeeliebhaber, die perfekten Milchschaum wollen
- Menschen, die auf Herzgesundheit achten (Beta-Glucan)
- Umweltbewusste Konsumenten
- Alle, die den natürlich süßlichen Geschmack schätzen
Weniger geeignet ist Hafermilch für:
- Menschen mit Zöliakie (außer zertifiziert glutenfreie Produkte)
- Wer proteinreiche Milch sucht (Sojamilch hat mehr Protein)
- Wer kohlenhydratarme Ernährung bevorzugt
Als jüngste der beliebten Pflanzenmilch-Alternativen hat Hafermilch seit 1994 einen beeindruckenden Aufstieg hingelegt. Mit ihrer cremigen Konsistenz, dem angenehmen Geschmack und der besten Umweltbilanz ist sie heute eine der beliebtesten Alternativen zu Kuhmilch.
Quellen:
- Wikipedia: Oat milk
- Wikipedia: Rickard Öste
- Wikipedia: Oatly
- Wikipedia: Beta-Glucane
- Poore & Nemecek (2018): Reducing food's environmental impacts, Science
- Our World in Data: Environmental impact of milks
- Lund University Alumni: How one scientist's drink came to be on the lips of many
- FoodUnfolded: Plant-Based Milk Alternatives - Environmental Footprints